Liebe Leserinnen und Leser,
 

der Deutsche Apothekertag und die Expoharm 2024 sind Geschichte. Der ausführliche Bericht folgt diese Woche in der DAZ. Was nehmen wir mit? Der Vorsitzende des Deutschen Apotheker Verbandes, Dr. Hans-Peter Hubmann, hat wenig Neues zu sagen, wie sein Grußwort zur Eröffnung der Expopharm deutlich macht. Auch der ABDA-Präsidentin ist es in diesem Jahr nicht gelungen, die Delegierten im Saal mitzunehmen. Und dem einen oder anderen (nicht allen), der zur alten Garde zählt, fehlt ganz offensichtlich der Wille, sich überhaupt mit der Zukunft zu befassen. Hoffnungsfroh stimmt einen allerdings der Nachwuchs. Die nachrückende Generation in der Standesvertretung ist hochmotiviert und bestens informiert. Das hat sie im Zuge des Apothekertages, aber auch auf den Veranstaltungen auf der Expopharm unter Beweis gestellt.

 
Herzliche Grüße,
Ihre Julia Borsch
DAZ-Chefredakteurin
 
In diesem DAZ-Update lesen Sie:
 

Änderungsanträge zum BIPAM-Gesetz: Neue Apothekenregelungen im Omnibus? 

Hubmann: „Das Spiel spielen wir nicht mit"

Notfallreform im Bundestag

Landtag in NRW debattiert über Arzneimittelversorgung

Petition in Thüringen mit Rekordbeteiligung

Gab es Absprachen bei „Lex Lilly"?

News-Ticker

 
 
Änderungsanträge zum BIPAM-Gesetz:
Neue Apothekenregelungen im Omnibus?
 

Von Kirsten Sucker-Sket

Diese Woche Mittwoch findet im Gesundheitsausschuss des Bundestags die öffentliche Anhörung zum Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit statt. In dessen Zentrum steht der Aufbau eines Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM). Doch offenbar sollen auch Regelungen, die Apotheken betreffen, an das Gesetzesvorhaben angedockt werden. Der „Tagesspiegel Background" berichtet heute über eine auf den 9. Oktober datierte Liste mit möglichen Änderungsanträgen zum Gesetzentwurf. Allerdings sind diese Formulierungshilfen noch nicht geeint.

Was sind „favorisierte Apotheken"?

Laut „Tagesspiegel" geht es auch um Regelungen, die sich derzeit im Apotheken-Reformgesetz befinden, das allerdings im Stadium des Referentenentwurfs stecken geblieben ist – etwa die vorgesehene Erweiterung der Impfberechtigung von Apotheken. Zudem sollen Apotheker und Pflegefachpersonen in einem größeren Umfang als bislang In-vitro-Diagnostika anwenden dürfen – etwa Schnelltests auf Adenoviren, Influenzaviren, das Norovirus, RSV und Rotavirus. Ein weiterer fachfremder Vorschlag für einen Änderungsantrag betrifft laut „Tagesspiegel" das Apotheken-Ident-Verfahren.

Weiterhin sollen „favorisierte Apotheken“ eingeführt werden – offenbar, um die Versorgung Pflegebedürftiger zu verbessern. Eine favorisierte Apotheke könne dem Vorschlag zufolge ein E-Rezept einlösen, wenn sie durch den Versicherten als favorisierte Apotheke festgelegt und zur Einlösung des E-Rezepts aufgefordert wurde – zum Beispiel per Telefon. Der Versicherte müsse dann nicht mehr für jedes Rezept in die Apotheke gehen oder die E-Rezept-App nutzen.

Dass das Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit zum Omnibus werden soll, zeigt nicht zuletzt die am heutigen Vormittag aktualisierte Liste der zur Anhörung im Ausschuss geladenen Verbände: Nun ist auch die ABDA darauf zu finden. Dies ist sicherlich ein Zeichen, dass es mit dem Entwurf für das Apotheken-Reformgesetz auch weiterhin nicht voran geht. 

 
 
 

DAV-Vorsitzender Hubmann:
„Das Spiel spielen wir nicht mit!“

 

Von Peter Ditzel

„Die mit dem Apothekenreformgesetz genannten Maßnahmen ergeben einen toxischen Mix, der die wirtschaftliche Lage der Apotheke noch weiter verschlechtern und die Personalknappheit verschärfen würde“, machte Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, in seiner Eröffnungsrede zur Expopharm deutlich. Die Apotheken brauchen dringend eine finanzielle Soforthilfe, es sei genug Geld im System. Und sie könnten noch mehr leisten, wenn es ihnen wirtschaftlich besser ginge.

Die Kernpunkte des Reformvorhabens, die Strukturkomponente (Apotheke ohne Apotheker) und die Honorarkomponente, seien nicht geeignet, die Situation der Apotheken vor Ort zu verbessern. Im Gegenteil, „sie verschärfen die ohnehin prekäre Lage und gefährden damit die hochwertige, flächendeckende Arzneimittelversorgung“, brachte es Hubmann auf den Punkt. Denn Leistungen, die ausschließlich von Apothekerinnen und Apothekern persönlich erbracht werden können, wären nur noch stark eingeschränkt möglich. Hubmann nannte es „geradezu zynisch“, wenn Lauterbach sage, dass es keine Leistungskürzungen für die Versicherten gebe. Für Hubmann ist klar: Lauterbach versucht, die Zustimmung der Apothekerschaft zu diesem Gesetz zu erpressen, indem er verkündet: keine Honorarreform ohne Strukturreform. Für Hubmann steht dagegen fest: „Herr Professor Lauterbach, nehmen Sie zu Kenntnis: Dieses Spiel spielen wir nicht mit!“

Apotheken brauchen mehr Honorar, jetzt!

Viele Gesundheitspolitiker haben dagegen verstanden, dass die Vergütungsstruktur der Apotheken gestärkt werden müsse durch eine Erhöhung des Fixhonorars, das derzeit auf dem Niveau von 2013 liege bzw. auf dem Stand von 2004. Hubmann forderte eindringlich, dass die Apotheken jetzt eine spürbare Erhöhung des Honorars brauchen. Geld sei im System vorhanden, der Orientierungswert für das ärztliche Honorar sei um 3,85 Prozent angehoben worden. Hubmann: „Die Argumente für diese Anpassung, die sogar vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen akzeptiert wurden, gelten eins zu eins auch für uns!“ Mit der von Lauterbach vorgesehenen Umverteilung des Apothekenhonorars, mit der Reduktion des variablen Honoraranteils würden letztlich alle Apotheken noch stärker von der Preisentwicklung abgekoppelt. So fragte Hubmann, wer unter diesen Umständen noch das Risiko einer Apothekenneugründung oder -übernahme eingehe und wer sich noch für die Apotheke als Arbeitgeber entscheide, wenn Krankenkassen und Industrie deutlich attraktivere Konditionen bieten können. „Ohne eine ausreichende ökonomische Grundlage gibt es keine gute Versorgung“, machte Hubmann deutlich. 

Honorarverhandlungen: ja, aber…

Die mit der Reform ins Spiel gebrachten Honorarverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband seien keine Option. Solche Verhandlungen landeten oft vor der Schiedsstelle, außerdem seien sie langwierig. Gleichwohl hält der DAV-Vorsitzende eine Verhandlungslösung für sinnvoll, allerdings nur unter der Bedingung, dass es eine Apotheken-Soforthilfe gebe und dass die Verhandlungen auf verlässlichen und klar fixierten Parametern basierten. Hubmann ist sich bewusst, dass die Kassen unter großem finanziellen Druck stehen, aber die GKV-Finanzen würden auch zusätzlich durch versicherungsfremde Leistungen belastet. 

Apotheken könnten mehr leisten, wenn…

Der DAV-Vorsitzende betonte, dass die Apotheken mit pharmazeutischen und präventiven Dienstleistungen wie Testen, Impfen und Screenings, außerdem durch assistierte Telemedizin sehr wohl dazu beitragen können, Versorgungslücken zu schließen und das ambulante System zu entlasten. Andere Ländern gingen bereits diesen Weg.

Die im Gesundes-Herz-Gesetz vorgesehenen neuen pharmazeutischen Dienstleistungen im Bereich Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauferkrankungen begrüße man. Allerdings könnten diese Leistungen nur Apotheken erbringen, denen es wirtschaftlich gut gehe und Apotheken, in denen Apothekerinnen und Apotheker anwesend seien. Der Gesetzentwurf zur Apothekenreform konterkariere dagegen solche Leistungen. Hubmann: „Man könnte auch sagen: Das eine Gesetz schafft ab, was das andere voraussetzt.“

pDL kein Flop

Irritierend sei die Bemerkung aus dem Bundesgesundheitsministerium gewesen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) ein „Flop“ seien. Hubmann konterte: „Wir Apothekerinnen und Apotheker wollen und können pharmazeutische Dienstleistungen“, aber wenn man die Apotheken mit Bürokratie und kaum honorierten Zusatzleistungen belaste, mehr Beinfreiheit bei der Arzneimittelabgabe verweigere und dazu noch die wirtschaftliche Grundlage entziehe, dann dürfe man sich nicht wundern, wenn die Apotheken keine Ressourcen mehr haben, pDL zu erbringen. Ähnlich agiere das BMG, wenn es Lieferengpässe kleinrede. Hubmann legte dem Ministerium nahe, den Apotheken endlich mehr Entscheidungskompetenzen zu geben sowie ein realistisches Engpasshonorar, das den Aufwand abbilde. Wenn Apotheken in Sachen Gesundheit für die Menschen immer schwerer erreichbar sind, wird sich das Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung weiter verstärken.

 
 
 
Notfallreform im Bundestag
 
Von Matthias Köhler

Die 1. Lesung im Bundestag zur Notfall-Reform am Mittwoch vergangener Woche verlief in dem Konsens, dass diese unbedingt nötig sei. Grundsätzliche Kritik formulierte nur die Gruppe die Linke.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte eingangs der Debatte fest, dass Ambulanzen und Notfallaufnahmen überlastet seien. Das führe teilweise zu extremem Frust bei Patientinnen und Patienten, der sich in einigen Fällen sogar in Gewalt gegen das Personal entlade. Die Notfallreform, die unter anderem die Patienten an die richtige Stelle steuern soll, sei eine „wichtige Reform, die in Fachkreisen nicht strittig ist.“

Vorgesehen ist, dass vertragsärztlicher Notdienst, Notaufnahmen der Krankenhäuser und Rettungsdienste besser vernetzt werden. Neugeschaffen werden integrierte Notfallzentren (iNZ), die als sektorenübergreifende Notfallversorgungsstrukturen fungieren. Bei diesen würden auch die Apotheken eine neue Rolle spielen.

CDU: Da stecken „viele gute Dinge“ drin

Tino Sorge, CDU/CSU-Fraktion, erklärte, dass in dem Entwurf „viele gute Dinge“ enthalten seien, „vor allem wenn es um Patientensteuerung geht“. Allerdings dürfe die Notfallreform nicht singulär betrachtet werden, sondern müsste besser mit der Krankenhausreform verzahnt werden. Er forderte darüber hinaus, die Akteure nicht mit zusätzlicher Bürokratie zu belasten.

Janosch Dahmen, Bündnis 90/Die Grünen, nannte das Gesetzesvorhaben „einen ganz zentralen Reformbaustein“. Bezüglich der bereits von der Opposition vorgebrachten Vorschläge sagte er, dass diese teils gut seien und Berücksichtigung finden würden.

FDP: Apothekenanbindung „noch nicht zu Ende gedacht“

Andrew Ullmann von der Koalitionsfraktion der FDP brachte die Apotheken ins Spiel. In seinen „konstruktiv kritischen Punkten“ für das parlamentarische Verfahren merkte er an, dass die geplante Anbindung der Apotheken an die iNZ „noch nicht zu Ende gedacht“ sei und eine Gefahr von Doppelstrukturen bestehe.

Herbert Wollmann, SPD, sagte, man stehe in der Gesundheitspolitik „vor dem Herbst der wegweisenden Reformen“ und nannte jene des Krankenhauswesens, der ambulanten Versorgung und die Notfallreform – die Apotheken kamen bei ihm nicht vor. Sein Parteikollege Dirk Heidenblut mahnte, dass die Reform zu kurz greife und auch die psychiatrischen Krisendienste integriert werden sollten und es auch bei der Barrierefreiheit nachzuschärfen gelte. Ullmann gab er bezüglich einer besseren Integration der Apotheken Recht.

Die Linke: Investitionen nur bei „Panzer und Haubitzen“

Kathrin Vogler von der Gruppe die Linke im Bundestag erklärte, dass die Notfallreform „die vermurkste Krankenhausreform“ sogar noch toppe. Das in dem Gesetz versprochene klinge zwar toll, „aber wo ist die Finanzierung und das zusätzliche Personal?“. Mehr Effizienz sei nur durch Investitionen möglich, investieren wolle die Ampel aber nur in „Panzer und Haubitzen, nicht in die Gesundheitsversorgung“.

Die Kosten der Reform würden so den Krankenkassen auferlegt, also den Beitragszahlern. Zu den iNZ merkte sie an, dass es diese in Kombination mit der vorgesehenen Krankenhausreform vielleicht in Ballungszentren geben werde, „aber sicher nicht auf dem Land“. Der Anspruch, eine integrierte Versorgung über die Sektorengrenzen des Gesundheitswesens hinaus zu schaffen, werde verfehlt.

 
 
Landtag in NRW debattiert 
über Arzneimittelversorgung
 

Von Michael Zantke

Der nordrhein-westfälische Landtag hat sich anlässlich der Lieferengpässe bei Kochsalzlösung in einer aktuellen Stunde mit den Problemen der Arzneimittelversorgung befasst. Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) machte deutlich: Auch wenn die Politik versagt, sichern die Apotheken die Versorgung. Die aktuelle Stunde kam auf Antrag der AfD-Fraktion zustande.  

Systemische Störung der globalen Lieferketten

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Marco Schmitz, machte deutlich, dass das Problem regional und global betrachtet werden müsse. Es gebe eine „systemische Störung der globalen Lieferketten“. Die Pharmaindustrie und die nationale Politik seien gefordert, so Schmitz, unabhängiger von außereuropäischen Lieferketten zu werden. Er forderte starke Maßnahmen zum Ausbau der europäischen Produktionskapazitäten. Thorsten Klute (SPD) wandte sich in seinem Redebeitrag vor allem an die antragstellende AfD: So zu tun, als sei das ein rein deutsches Problem, sei genau das Gegenteil einer Lösung für die Zukunft. Darüber hinaus trage die offenkundige Hinwendung der AfD Richtung Russland, Belarus und China auch nicht dazu bei, die internationalen Abhängigkeiten abzubauen.

Überregulierung der Produktion als Ursache

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Susanne Schneider, würdigte das ALBVVG als Erfolg im Kampf gegen die Engpässe. Sie führte den Kostendruck bei nicht-patentgeschützten Arzneimitteln als Ursache für die anhaltenden Probleme ins Feld. Diese seien für die Produzenten oft nicht rentabel, weswegen ein Großteil der Produktion nach Asien verlagert worden sei. Durch „Überregulierung“ sei auch die „CDU-geführte“ EU-Kommission mitverantwortlich für die aktuellen Engpässe. Meral Thoms von den Grünen machte deutlich, dass es aktuell keine Versorgungsmängel bei Kochsalzlösung gebe: „Die Menschen sollen wissen, dass ihre medizinische Versorgung nicht gefährdet ist.“ Gerade bei Kinderarzneimitteln habe man gegenüber dem letzten Herbst deutliche Fortschritte bei der Sicherstellung der Versorgung erzielt. Die Bundesregierung habe aber den Ernst der Lage erkannt und bereits geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen, so Thoms. Abschließend machte Thoms deutlich: „Schnellschüsse, Schuldzuweisungen und Panikmache lösen dieses Problem nicht.“

Laumann: Inhabergeführte Apotheken sichern Versorgung

Für die Landesregierung sprach der amtierende Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Auch er machte eingangs klar, dass kein Patient in NRW um seine Versorgung fürchten müsse. Allerdings halte er eine Erhöhung der Versichertenbeiträge für notwendig. Da Arzneimittelpreise absehbar steigen würden, müssten die Zusatzkosten über die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden: „Versorgungssicherheit hat ihren Preis.“ Die Engpässe bei der Arzneimittelversorgung sind für Laumann Ausdruck eines umfassenderen Vertrauensproblems gegenüber der staatlichen Versorgung: „Dass wir das Alles in Allem immer noch hinkriegen, das haben wir in Wahrheit dem gut ausgebildeten Fachpersonal, das in diesem Bereich arbeitet, insbesondere den Apothekerinnen und Apothekern, zu verdanken.“ Mit den Plänen Lauterbachs zur Apotheke ohne Apotheker*innen werde „die Axt an diese Kompetenzen“ gelegt.

 
 
 
 
Gab es Absprachen bei „Lex Lilly"?  
 

Von der DAZ-Redaktion

Laut Recherchen der Süddeutschen Zeitung, NDR, WDR und der Journalistengenossenschaft Investigate Europe" belegen interne Dokumente aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass sich die Bundesregierung der Forderung des Pharmakonzerns Eli Lilly gefügt hat, das Medizinforschungsgesetz (MFG) zu dessen Gunsten zu ändern. Im Gegenzug flossen Milliarden-Investitionen. Der Konzern bestreitet jeden Zusammenhang. Bereits im Dezember 2023 kam der Verdacht auf, dass hinter der Entscheidung Eli Lillys für ein Werk in Alzey womöglich ein geheimes Gegengeschäft steckte. Denn kurz zuvor hatte Gesundheitsminister Lauterbach sein Medizinforschungsgesetz auf den Weg gebracht. Dieses enthielt den für ein Forschungsgesetz seltsamen Passus, dass Pharmaunternehmen künftig die Preise, die sie für ihre neuen Arzneimittel von den Krankenkassen erstattet bekommen, geheim halten könnten. Dabei wurde in der Berichterstattung bereits offen von einer „Lex Lilly“ geschrieben, mit dem die Regierung dem Konzern für seine Investition entgegenkam. Die Bundesregierung bestritt das allerdings vehement.

Eli Lilly bestreitet die Vorwürfe

Das Rechercheteam hatte die Akten rund um das MFG nach dem Informationsfreiheitsgesetz bereits im Dezember 2023 angefordert, aber erst im September vom BMG erhalten, nachdem Investigate Europe wegen Untätigkeit Klage eingelegt hatte. 

Die Dokumente sprechen eine deutliche Sprache. In einem Papier vom 13. September 2023 etwa hält das Referat 117 des BMG fest: Es „kann dem CEO von Eli Lilly, Dave Ricks, mitgeteilt werden, dass das BMG dem Wunsch von Eli Lilly nachkommt und im Rahmen des MFG plant, vertrauliche Rabatte für den Herstellerpreis zu ermöglichen“. Offenkundig hatte der Konzern mit seiner anhaltenden Lobbyarbeit Erfolg. So hatte die Firma laut dem Dokument schon Wochen zuvor in einem Gespräch mit einem Abteilungsleiter im BMG „darüber informiert, dass die Investition einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag“ umfasse, so die Süddeutsche Zeitung. Den Notizen des Abteilungsleiters zufolge hat die Firma unmissverständlich klargestellt: „Eli Lilly knüpft seine Investitionsentscheidung an die Zusage der Bundesregierung, vertrauliche Rabatte bei innovativen Arzneimitteln zu ermöglichen.“ Im November 2023 wird dem „Herrn Minister“ mit Vermerk „EILT SEHR!“ noch einmal ein Schriftstück vorgelegt: „Befürworter einer solchen Regelung ist insbesondere die Firma Lilly, die ihre Investitionsentscheidung in Alzey an einen in Aussicht gestellten vertraulichen Erstattungsbetrag geknüpft hatte.“ 

Eli Lilly bestreitet gegenüber dem Rechercheverbund, die Bundesregierung unter Druck gesetzt zu haben. „Unser Unternehmen hat zu keiner Zeit die Investitionsentscheidung in Rheinland-Pfalz an eine derartige Zusage vonseiten der Bundesregierung geknüpft“, teilt der Konzern mit. Eli Lilly und sein CEO seien lediglich „im Zuge des Bekanntwerdens“ der Eckpunkte des MFG „darauf aufmerksam gemacht“ worden, „dass das BMG die Einführung von vertraulichen Erstattungsbeträgen positiv geprüft“ habe. Die Entscheidung für das Werk in Rheinland-Pfalz habe da längst festgestanden.

Das BMG selbst äußert sich auf Anfrage nicht konkret zu den Zitaten aus den Akten. „Minister Lauterbach sind keine Vermerke bekannt, in denen er sich Eli Lilly gegenüber zu diesem Thema geäußert hätte. Für ihn persönlich hat die Haltung von Eli Lilly keine Rolle bei der Entwicklung der Pharmastrategie gespielt“, teilte ein Sprecher gegenüber dem Rechercheverbund mit. 

 
 
Rekord: Petition in Thüringen 
 

Von der DAZ-Redaktion

Mehr als 60.000 Menschen haben die Petition „Gesundheitsversorgung in Thüringen sichern. Apotheken retten“ unterzeichnet – ein Rekord. Nun wird die Arzneimittelversorgung wieder Thema im Landtag.

Der Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Thüringen, Danny Neidel, bezeichnete das Ergebnis als „schlicht überwältigend“: Mehr als 60.000 Menschen hätten die Petition unterzeichnet und damit einen Rekord erreicht. Keine Petition auf der offiziellen Plattform des Thüringer Landtages hatte bislang mehr Unterschriften, wie die Kammer am Donnerstag in einer Pressemitteilung wissen ließ.

Anhörung im Thüringer Landtag 

Die Unterschriften waren parallel zu den Vorbereitungen des Protests in Erfurt Ende August gesammelt worden. Landtag und die neue Landesregierung werden darin aufgefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Änderungen im Apothekenrecht zu stoppen, die sie die Qualität der Arzneimittelversorgung und ihre Sicherheit untergraben.

Die Petition richtet sich gegen die Apotheke ohne Apotheker, die als „ein richtungweisender Schritt hin zur Kommerzialisierung der Arzneimittelversorgung und weg von der inhabergeführten öffentlichen Apotheke“ bezeichnet wird. Darüber hinaus wird gefordert, die Modernisierung des Instituts für Pharmazie der Universität Jena voranzutreiben.

Mit der Erfüllung des Quorums von 1.500 Unterschriften innerhalb von sechs Wochen haben die Antragsteller nun das Recht, ihr Anliegen in einer öffentlichen Anhörung des Thüringer Landtages dem Petitionsausschuss, den Fachpolitikerinnen und -politikern und dem zuständigen Ministerium vorzutragen.

 
 
 
News-Ticker
 
„Big Brother Award" für Lauterbach
 

Die Deutsche Bahn, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Polizei Sachsen wurden in Bielefeld mit dem Negativpreis „Big Brother Award" als Datensünder ausgezeichnet. Lauterbach sei für die nationale Umsetzung des sogenannten Europäischen Gesundheitsdatenraums" zuständig. Dabei geht es um sensible Patientendaten. Diese sollen zukünftig in Europa für die medizinische Forschung, aber auch zur Produktentwicklung ausgetauscht werden können. Mit dem „Big Brother Award“ werden jedes Jahr Personen, Institutionen oder Behörden ausgezeichnet, die in den Augen des Vereins Digitalcourage auf gravierende Weise gegen den Datenschutz verstoßen haben.  (DAZ)

Sanofi vor Verkauf der OTC-Sparte
 
Der französische Pharmakonzern Sanofi hat einen möglichen Partner für sein Geschäft mit verschreibungsfreien Arzneien gefunden. Die Investmentgesellschaft Clayton Dubilier & Rice (CD&R) könnte einen kontrollierenden Anteil von 50 Prozent an der Sparte erwerben, teilte Sanofi mit. Die Sparte mit Namen Opella bietet rezeptfreie Medikamente, Vitaminprodukte, Mineralstoffe und Nahrungsergänzungsmittel an. Das Unternehmen sitzt in Frankreich, hat 13 Fabriken und vier Forschungszentren und beschäftigt mehr als 11.000 Menschen in 100 Ländern. Insidern zufolge war für die gesamte Sparte ein Kaufpreis von etwa 15 Milliarden US-Dollar Euro) im Gespräch. (dpa)
Erneuter Protest
am 6. November
 
Vor einem Jahr gingen die Apothekenteams im „Protestmonat November“ bundesweit auf die Straßen. Ihre Forderung an die Politik: die Apotheken wirtschaftlich zu stärken. Geschehen ist seither bekanntlich nichts. Und so plant der LAV Niedersachsen einen erneuten Protest: Für den 6. November um 13 Uhr ruft er zu einer Kundgebung in Hannover auf, um für den Erhalt der qualitativ hochwertigen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch Apotheken
zu protestieren. (DAZ)
Gaza: Zweite Runde der Polio-Impfrunde
 
Trotz israelischer Angriffe hat im Gazastreifen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO die zweite Runde der Impfungen gegen Kinderlähmung begonnen. Nach UN-Angaben sollen rund 590.000 Kinder unter zehn Jahren geimpft werden. Die Massenimpfung führen lokale Gesundheitsbehörden, UN-Kinderhilfswerk Unicef und UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA durch. Die Polio-Impfungen müssen in zwei Dosen verabreicht werden, eine erste Runde hatte es Anfang September gegeben. (dpa)