Liebe Leserinnen und Leser,
 

 

viele Versicherte der IKK classic müssen seit 1. Juli längere Wege in Kauf nehmen, um an ihre Hilfsmittel zu kommen. Denn die Apotheke um die Ecke ist möglicherweise kein Vertragspartner mehr. Jan Harbecke, Vorstandsmitglied beim Apothekerverband Westfalen-Lippe erklärt, dass die Preise beim von der Kasse vorgelegten Vertrag nicht das einzige Problem sind. Im Gespräch mit der DAZ gibt er zu bedenken, dass ein Einzelbeitritt viele Erfolge, die die Verbände erreicht haben, zunichtemachen würde. Der Verband ruft daher zu Solidarität und Geschlossenheit auf, selbst wenn die Preise für einzelne Produktgruppen womöglich akzeptabel erscheinen mögen. Doch selbst wenn noch eine Einigung zustande kommt: Wenn Patient*innen zwischenzeitlich ihre Hilfsmittel anderswo beziehen müssen, möglicherweise sogar im Versand, erhöht das nicht die Gefahr, dass sie auch ihre Arzneimittel nicht mehr in der Apotheke vor Ort beziehen?

 
Herzliche Grüße,
Ihre Julia Borsch
DAZ-Chefredakteurin
 
In diesem DAZ-Update lesen Sie:
 
HBA- und SMC-B: bei vielen Karten vorzeitiger Austausch nötig

Abda-Beiträge: Berlin zahlt 8,2 Prozent mehr

Hilfsmittelvertrag der IKK classic: Die Preise sind nicht das einzige Problem

Abrechnungsdaten: Bei Scanacs kann nun automatisiert verbucht werden

Redcare: Cardlink soll Marktanteil verdreifacht haben

Zollstreit zwischen EU und USA: Woche der Entscheidung?

News-Ticker
 
 
 
 
HBA- und SMC-B: bei vielen Karten vorzeitiger Austausch nötig
 

Von Julia Borsch

Alle Heilberufsausweise (HBA) und SMC-B-Karten müssen nach fünf Jahren ersetzt werden. Hintergrund ist die Zertifikatslaufzeit der Karten. Insbesondere bei der SMC-B ist es essenziell, rechtzeitig für eine Folgekarte zu sorgen. Nach Ablauf kann die jeweilige Apotheke nicht mehr auf die Telematikinfrastruktur zugreifen. Wenn die Daten unverändert sind, kann die Folgekarte direkt beim Anbieter bestellt werden, zum Beispiel über den Dienstleiter D-Trust, mit dem der Deutsche Apotheker Verlag zusammenarbeitet. Haben sich der Name und/oder die Anschrift (des Inhabers oder bei der SMC-B der Apotheke) geändert, muss der Antrag wie bei der Erstausstellung zunächst bei der Kammer gestellt werden. Der Preis ist im Vergleich zur ersten Karte unverändert.

Welche Karten müssen vorzeitig ersetzt werden?

Einige Karten müssen aber Ende des Jahres ersetzt werden, obwohl die Zertifikate noch bis ins Jahr 2026 oder noch länger gültig sind. Hintergrund ist hier eine Änderung der Verschlüsselungstechnik. Ausweise, die ausschließlich auf dem Verschlüsselungsverfahren RSA basieren, dürfen nach dem 31. Dezember 2025 nicht eingesetzt werden. Sie werden vom Anbieter gesperrt. Allein in Baden-Württemberg sind laut Angaben der Kammer 744 HBA und 274 SMC-B betroffen.

Was ist zu tun?

Betroffene Kolleg*innen haben zwei Handlungsoptionen: Sie können eine Ersatzkarte beantragen mit der Laufzeit der ursprünglichen Karte, diese ist kostenlos. Nach Ende der Restlaufzeit muss dann die kostenpflichtige Folgekarte beantragt werden. Alternativ können die betroffenen Kolleg*innen sich aber auch gleich um die kostenpflichtige Folgekarte kümmern, die dann fünf Jahre gilt.

Wer seine Apotheke bis zum 31. Dezember 2025 oder früher schließt oder übergibt, braucht wegen einer neuen SMC-B-Karte nicht aktiv zu werden. Dasselbe gilt für Kolleg*innen, die nach diesem Stichtag keinen HBA mehr benötigen, zum Beispiel weil sie in den Ruhestand gehen.

 
 
 

Abda-Beiträge: Berlin zahlt 8,2 Prozent mehr

 
Von Thomas Müller-Bohn

Die Abda-Mitgliederversammlung hat vergangene Woche den Jahresabschluss für 2024 festgestellt und den Haushalt für 2026 beschlossen. Im Anschluss an die Mitgliederversammlung erklärte Abda-Präsident Thomas Preis, dass die Beiträge in den nächsten Jahren im Durchschnitt um jeweils 3,9 Prozent steigen sollen. Dies sei deutlich weniger, als vorher langfristig geplant worden war. Ursprünglich hatte der Beitrag 2026 um 8,5 Prozent und 2027 um 4,4 Prozent steigen sollen, betonte Preis.

Die Abda hatte 2023 mit der Haushaltsplanung für 2024 und die Folgejahre beschlossen, Lücken im Haushalt „mittelfristig“ nicht mehr durch Ausschüttungen der Töchter zu decken, sondern stattdessen die Beiträge zu erhöhen. Die Ausschüttungen der Töchter sollen nun für eine Instandhaltungsrücklage bei der Abda genutzt werden. Dies ist offenbar ein wesentlicher Grund für weiter steigende Beiträge. Im Berichtsjahr 2024 hat die Abda 23,1 Millionen Euro eingenommen.

Avoxa mit erheblichen Rücklagen

Für 2025 hatte die Abda die Beiträge mit Rücksicht auf die schwierige wirtschaftliche Situation der Apotheken weniger erhöht, als es dem vorherigen Plan entsprochen hatte. Die Abda sieht sich weiter vor dem Problem, dass spätere Schließungen finanzieller Lücken den Finanzbedarf dann noch weiter erhöhen würden. Hier ist allerdings zu fragen, wo die Abda die finanziellen Lücken sieht. Denn insbesondere die größte wirtschaftende Tochtergesellschaft Avoxa verfügt über erhebliche Rücklagen. Beim letzten öffentlich zugänglichen Jahresabschluss von 2023 (siehe www.northdata.de) standen auf der Passivseite der Avoxa-Bilanz 30 Millionen Euro Gewinnrücklagen, 15,4 Millionen Euro Kapitalrücklage, 16 Millionen Euro Gewinnvortrag und etwa 7,6 Millionen Euro Jahresüberschuss von 2023. Der größte Teil dieses Geldes war zumindest 2023 auch verfügbar, denn die Aktivseite wies einen Kassenbestand von 42,4 Millionen Euro und 8,2 Millionen Euro in Wertpapieren aus. Demnach bestehen dort offenbar reichlich Mittel, die für künftige Instandhaltungen zu nutzen wären. Im Abda-Haushalt ist dagegen von einer Finanzierungslücke die Rede. Daraufhin habe sich der Abda-Vorstand dafür ausgesprochen, die Mitgliedsbeiträge in den Jahren 2026 bis 2028 um jeweils 3,9 Prozent zu erhöhen, aber auch die Beteiligungserträge mehr als zunächst geplant einzubeziehen und mehr Kosten zu sparen. Die betrieblichen Sachaufwände sollen von 2026 bis 2028 nicht steigen. Die geplanten „maßvollen Beitragsanpassungen“ würden 2025 und 2026 zu negativen Ergebnissen führen, die durch die Überschüsse von 2024 ausgeglichen werden.

Zwischen 8,2 Prozent mehr und 7,2 Prozent weniger

Im Jahr 2025 betragen die Beiträge 23,650 Millionen Euro, 2026 sollen es 24,572 Millionen Euro werden und damit 1,098 Millionen Euro weniger als zuvor geplant. Die Erhöhung liegt damit über der derzeit angenommenen Inflation. Die Beiträge für 2026 werden proportional zu den Apothekenumsätzen von 2023 auf die Bundesländer verteilt. Damit ergeben sich für 2026 im Vergleich zu 2025 als Extreme in Bremen eine Senkung um 7,2 Prozent und in Berlin eine Erhöhung um 8,2 Prozent. Weitere Erhöhungen um mehr als 6 Prozent treffen Baden-Württemberg mit plus 7,3 Prozent, Hamburg mit plus 6,9 Prozent und das Saarland mit plus 6,2 Prozent. Außer in Bremen werden die Beiträge 2026 auch in Rheinland-Pfalz und Brandenburg sinken.

 

 
 
 
Hilfsmittelvertrag der IKK classic: Die Preise sind nicht das einzige Problem
 
Von Christina Grünberg


Seit wenigen Tagen erhalten Versicherte der IKK classic in den meisten Apotheken keine Hilfsmittel mehr. Hintergrund ist, dass sich die Kasse und der Deutsche Apothekerverband nicht auf einen für beide Seiten akzeptablen Versorgungsvertrag einigen konnten, der das auslaufende Regelwerk hätte ersetzen können. Den Apotheken bleibt nur die Option, einen Einzelvertrag mit der IKK classic abzuschließen, wenn sie ihre Patientinnen und Patienten weiterhin vollumfänglich beliefern möchten. Davon raten die Verbände jedoch ausdrücklich ab – die angebotenen Konditionen seien nicht tragfähig, heißt es. Alternativ müssen Patient*innen an andere Leistungserbringer verwiesen werden oder die Hilfsmittel aus eigener Tasche zahlen.

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) legt jetzt nochmals nach: In einem aktuellen Rundschreiben zeigte er exemplarisch auf, wie sehr die IKK classic an der Preisschraube drehen will.

Mindestens ebenso kritisch wie die Preise sieht der Verband die Bedingungen, denen sich die versorgenden Apotheken beugen müssen. Unter anderem sei eine „Retaxation trotz vorheriger Genehmigung“ möglich. Und tatsächlich steht in dem Vertrag, der der DAZ vorliegt: „Bei Unstimmigkeiten im Rahmen der Abrechnung hat die IKK classic das Recht, insoweit Beträge einzubehalten oder zurückzufordern, selbst wenn die IKK classic zuvor eine Genehmigung erteilt hat.“

Auch andere IKKen können beitreten  

Darüber hinaus bemängelt der AVWL unter anderem, dass Rückforderungsansprüche bei vorzeitigem Versorgungsende oder Tod des Versicherten sowie Betriebsbegehungen seitens der IKK classic vorgesehen seien, ebenso wie umfangreiche zusätzliche Arztrücksprachen, Prüf- und Dokumentationspflichten für die Apotheken. Zudem könnten weitere IKKen dem Vertrag ohne Zustimmung der Apotheke beitreten. Kündbar sei die Vereinbarung frühestens zum 30. Juni 2027. 

Auf solch ein Regelwerk sollten sich die Inhaberinnen und Inhaber keinesfalls einlassen, betont AVWL-Vorstandsmitglied und -Chefverhandler Jan Harbecke gegenüber der DAZ. „Ein Beitritt würde viele Erfolge zunichtemachen, die wir in den vergangenen Jahren errungen haben“, warnt er. Vor diesem Hintergrund gibt sich der Verband kämpferisch und ruft in seinem Rundschreiben die Apotheken zur Solidarität und Geschlossenheit auf, selbst wenn die Preise für einzelne Produktgruppen womöglich akzeptabel erscheinen mögen.  

Harbecke unterstreicht, dass die Verbände nach wie vor großes Interesse daran hätten, mit der IKK classic einen Versorgungsvertrag für apothekenübliche Hilfsmittel abzuschließen. „Unsere Tür steht offen“, sagt er. „Aber die Konditionen müssen für die Apotheken tragfähig sein.“ 

Teststreifen, Trinknahrung und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel gehen noch

Zu allem Überfluss hat die Kasse noch für Irritationen gesorgt, was jetzt genau unter die neue Regelung fällt und was weiterhin von Apotheken abgegeben werden darf. Denn wenn Versicherte nach Blutzuckerteststreifen suchten, zeigte die Website nur Versorger an, die gültige Verträge mit der IKK classic besitzen. Dies beruhte jedoch auf einer falschen Anzeige. Blutzuckerteststreifen gelten als Arzneimittel und können auch nach dem 1. Juli zulasten der IKK classic verordnet und in jeder Apotheke beliefert werden. Das bestätigte eine Sprecherin der Krankenkasse auf Anfrage der DAZ-Redaktion. Mittlerweile ist auch auf der Webseite zu lesen: „Blutzuckerteststreifen und Trinknahrung können Sie neben den hier vorgeschlagenen Leistungserbringern auch von Apotheken beziehen.“ Ebenfalls nicht betroffen sind Trinknahrung und zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. 

 
 
Abrechnungsdaten: Bei Scanacs kann nun automatisiert verbucht werden
 
Von Deutsche Apotheker Zeitung

Mit der Softwarelösung von Scanacs können Apotheken, E-Rezepte direkt – wöchentlich oder monatlich – mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Ohne Zwischenschaltung eines Rechenzentrums. Im Unterschied zur herkömmlichen Sammelabrechnung, wie die Apothekenrechenzentren sie generieren, werden dabei die Abrechnungsdaten der abgegebenen Arzneimittel einzeln und zeitnah erfasst. Dies führt jedoch zwangsläufig zu einer erheblich größeren Datenmenge, die in der Buchhaltung verarbeitet werden muss.

Scanacs bietet seinen Kunden nun eine integrierte DATEV-Schnittstelle an. Nach Unternehmensangaben soll die neue Schnittstelle sicherstellen, dass diese umfangreichen Buchungsdaten automatisiert an den DATEV-Buchungsdatenservice übermittelt werden können. Dort erfolgt eine direkte Zuordnung und Prüfung der Belege. Damit schaffe man eine effizientere Möglichkeit zum Verbuchen der Abrechnungsdaten, heißt es.

Bisher stand den Scanacs-Kunden lediglich ein Buchungsdatensatz zur Verfügung, der in die jeweilige Buchhaltungssoftware eingespielt werden konnte. Darüber hinaus arbeitet Scanacs neben DATEV bereits mit anderen Anbietern an der Bereitstellung weiterer Schnittstellen.
 
 
Redcare: Cardlink soll Marktanteil verdreifacht haben
 
Von Deutsche Apotheker Zeitung

Der niederländische Versandhandels-Konzern Redcare Pharmacy (vormals Shop Apotheke) hat vorläufige, bislang ungeprüfte Umsatzzahlen für das zweite Quartal 2025 vorgelegt. Demnach stieg der Gesamtumsatz der Gruppe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 26,4 Prozent auf rund 709 Millionen Euro (Q2 2024: 561 Mio. Euro) und im ersten Halbjahr um 27,2 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Nach Unternehmensangaben verzeichnete man in allen Ländermärkten Zuwächse.

Dickes Plus bei Rx

Besonders deutlich fiel das Plus der Mitteilung zufolge im Bereich verschreibungspflichtiger Medikamente (Rx) aus: Hier stiegen die Umsätze um 48,1 Prozent auf 252 Millionen Euro, während die Umsätze mit nicht verschreibungspflichtigen Produkten (Non-Rx) um 17 Prozent auf 457 Millionen Euro zulegten. Auffällig ist vor allem die Entwicklung auf dem deutschen Markt: Die Rx-Umsätze in Deutschland stiegen um 125,1 Prozent auf 114 Millionen Euro (Q2 2024: 50 Mio. Euro) und um 155 Prozent auf 222 Millionen Euro im ersten Halbjahr.

CEO Olaf Heinrich verwies auf den Ausbau des Cardlink-Programms, das nach Unternehmensangaben innerhalb eines Jahres den Marktanteil verdreifacht haben soll. „Unsere Reise hat gerade erst begonnen“, so Heinrich. CFO Jasper Eenhorst zeigte sich zudem optimistisch, die Jahresprognose erfüllen zu können. Die EBITDA-Marge für das zweite Quartal werde voraussichtlich bei über 2 Prozent liegen, mit einer weiteren Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte.

Im DACH-Segment (Deutschland, Österreich, Schweiz) belief sich der Umsatz im zweiten Quartal auf 574 Millionen Euro, ein Anstieg um 26,6 Prozent. Das internationale Geschäft (Belgien, Italien, Frankreich, Niederlande) wuchs um 25,9 Prozent auf 135 Millionen Euro. Die Zahl der aktiven Kund*innen stieg auf 13,5 Millionen.

Ein endgültiges Bild liefert dieser Zwischenstand allerdings nicht. Sämtliche Zahlen sind laut Unternehmen vorläufig und ungeprüft. Der vollständige Halbjahresbericht soll am 29. Juli 2025 veröffentlicht werden. Dann werden wir auch wissen, ob Redcare weiterhin rote Zahlen schreibt. Zuletzt hatten die massiven Marketing-Ausgaben, unter anderem für Cardlink sämtliche Erlöse aufgefressen. Zuletzt stand unter dem Strich ein Minus von 11.6 Millionen Euro. 

 
 
Zollstreit zwischen EU und USA: Woche der Entscheidung? 
 
Von Michael Zantke

Im Handelsstreit zwischen der EU und den USA läuft am 9. Juli ein von US-Präsident Donald Trump gesetztes Ultimatum aus. Bis dahin soll eine Einigung zu den wechselseitigen Zollschranken erzielt werden. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg Ende Juni berichtete, zeigt sich die EU offen für ein Handelsabkommen mit einem allgemeinen Exportzoll von 10 Prozent. Allerdings fordern die Europäer eine Senkung der Zollforderungen seitens der USA in „Schlüsselbranchen“ wie Pharmazeutika, Alkohol, Halbleitern und Verkehrsflugzeugen.

Arzneimittel an der Spitze der EU-Exporte

Auf den ersten Blick scheint die Abhängigkeit der EU-Staaten bei Arzneimitteln gegenüber den USA eher gering zu sein. Laut dem Handelsblatt stammen nur 11 Prozent der pharmazeutischen Vorprodukte von dort. 22 Prozent stammen hingegen allein aus Irland und der Schweiz. Allerdings hängt die dortige Produktion wiederum stark von Vorleistungen aus den USA ab, wie die Ökonominnen Jasmina Kirchhoff und Samina Sultan vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ermittelt haben. Besonders im Bereich der Blutdrucksenker und Antibiotika bestehe die Gefahr, dass aufgrund sinkender Rentabilität durch weitere Zollschranken die Produktion eingestellt wird.

Eine Einigung im Bereich der Arzneimittel ist deshalb von herausragender Bedeutung, weil deren Anteil an den Exporten in die USA mit Abstand am größten ist. Laut der Statistik-Datenbank Statista lieferten Hersteller aus der EU im Jahr 2024 Arzneimittel im Wert von 119,8 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten. Damit liegt diese Produktgruppe noch weit vor Kraftfahrzeug-Exporten (51 Milliarden Euro).

Aber auch seitens der USA spielen Exporte von Arzneimitteln eine beachtliche Rolle in der Handelsbilanz: Nach der Ausfuhr von Erdölprodukten (53,7 Milliarden US-Dollar) stehen Medizin- und Pharmaprodukte auf Platz zwei der wichtigsten Exportgüter in die EU (45,8 Milliarden US-Dollar). Laut des statistischen Dienstes der EU-Kommission (Eurostat) lag der Anteil medizinischer und pharmazeutischer Produkte an den Gesamtexporten in die USA bei 22,5 Prozent.

Auch für Prothesen, OP-Instrumente, Inkontinenzwindeln und viele andere Medizinprodukte drohen weitere Zölle. So bestehen etwa Implantate und Katheter aus hunderten Einzelteilen, die in verflochtenen globalen Lieferketten hergestellt werden. Für viel Bestandteile greifen schon aktuell 50 Prozent Materialzoll – etwa für Stahl und Aluminium – plus weitere 20 Prozent Einfuhrzoll.

Die EU hat laut Handelsblatt eine Liste mit möglichen Gegenzöllen in der Schublade: Die umfasse rund 800 Medizinprodukte und Vorprodukte. Das könnte zumindest für die heimischen Produzenten Vorteile bringen. Der Geschäftsführer des Implantat-Herstellers Implantcast, Jens Saß, erhofft sich, dadurch Wettbewerbsnachteile gegenüber US-Konkurrenten auszugleichen.

Deutlich alarmierter zeigte sich die Geschäftsführerin des Medizinprodukte-Herstellers Hartmann Deutschland, Manuela Hoffmann-Lücke. Sie verweist darauf, dass etwa 80 Prozent des Zellstoffs für Inkontinenzwindeln aus den USA stammen. Da auch in diesem Bereich die Zahlungen der Krankenkassen gedeckelt sind, drohe eine Unterversorgung aufgrund fehlender Rentabilität. Ein schneller Wechsel zu anderen Anbietern, beispielsweise in China, sei nicht ohne weiteres möglich, da die Produktumstellung eine neue CE-Zertifizierung erfordere.

Trumps Kurs bleibt unvorhersehbar

Wie in vielen anderen Bereichen seiner Politik irritiert US-Präsident Trump durch diffuse Kursvorgaben und -änderungen. Nachdem er Pharmaprodukte zunächst von den verhängten Zöllen ausgenommen hatte, schockte er die Branche mit mehreren Vorhaben. Zunächst kündigte er an, auch Zölle für Arzneimittel zu prüfen. „Wir stellen unsere eigenen Medikamente nicht mehr her. Die Pharmakonzerne sitzen in Irland und an vielen anderen Orten, in China“, sagte Trump im April bei einem Treffen im Weißen Haus. Mit Zöllen wolle er die Ansiedelung von Pharmaproduzenten in den USA fördern: „Je höher der Zoll, desto schneller kommen sie“, sagte er damals.

Hersteller wie Roche und Novartis hatten daraufhin angekündigt, zweistellige Milliardenbeträge für den Ausbau ihrer Produktionsstandorte in den USA zu investieren. Doch bereits im Mai ertönte der nächste Paukenschlag aus dem Weißen Haus: Trump kündigte an, per Dekret die Preise für Arzneimittel um bis zu 90 Prozent senken zu wollen.

Laut den IW-Ökonominnen Kirchhoff und Sultan widersprechen sich die Forderungen nach höheren Zöllen und der gleichzeitig anvisierten drastischen Senkung der Arzneimittelpreise. Sie befürchten, dass Trumps Zickzackkurs die Forschung bremsen und die Verfügbarkeit neuer Therapien in Deutschland und Europa gefährden könnte.

Schnelle Lösung oder Sorgfalt?

Innerhalb der EU wird das Risiko einer Eskalation unterschiedlich bewertet. Zahlreiche Mitgliedstaaten befürchten, ein Handelskrieg könnte für die europäische Wirtschaft schwerwiegendere Folgen haben als vereinzelte höhere Zölle. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte daher zuletzt mehrfach betont, dass eine rasche Einigung im Interesse aller Beteiligten sei. Ein detailliert ausgehandeltes Abkommen sei derzeit nicht erforderlich, vielmehr gehe es um eine pragmatische Lösung, so Merz.

Dem widerspricht Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im Europäischen Parlament. Er mahnt zu Besonnenheit und warnt davor, sich von den Drohungen der US-Regierung unter Druck setzen zu lassen. „Sorgfalt geht klar vor Geschwindigkeit“, so Lange gegenüber der dpa. Ein bloßer Deal um des Deals willen sei nicht zielführend.

Wie sich die Gespräche entwickeln, dürfte in den kommenden Tagen zeigen, ob sich die Fronten verhärten oder ein Kompromiss in letzter Minute möglich ist. EU-Handelskommissar Maros Sefcovic soll nach Informationen von Bloomberg in dieser Woche nach Washington reisen.

 
 
 
News-Ticker
 
2025: 25 Apotheken weniger in Nordrhein
 

Die Zahl der öffentlichen Apotheken in Nordrhein sinkt auch im laufenden Jahr. Laut der aktuellen Statistik der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) waren zum Stichtag 1. Juli 2025 nur noch 1.915 Apotheken in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln geöffnet. Das sind 25 weniger als Ende 2024. Auf 29 Schließungen kamen lediglich vier Neueröffnungen. In Düsseldorf und Viersen ging die Zahl absolut am stärksten zurück – um jeweils vier. (DAZ)

 

Industrie produziert wieder mehr 
 

Die deutsche Industrieproduktion ist im Mai unerwartet wieder gestiegen. In den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes legte die Fertigung im Monatsvergleich um 1,2 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte. Derweil war der Produktionsrückgang im April etwas stärker ausgefallen als bisher bekannt. Das Bundesamt revidierte das Minus auf 1,6 Prozent von zuvor minus 1,4 Prozent. (DAZ)